„Mariam geht fort” ist ein - Kardinal Marx würde sagen - blasphemisches Buch über eine junge Frau namens Mariam aus Magdala, welche die Gefährtin des Zimmermannssohnes Jeschua aus Nazareth wird und erlebt, wie Jesus eine Gruppe ziemlich ungehobelter Männer um sich sammelt. Daraus wird die katholische Kirche, ein recht patriarchalischer Verein. Das Buch von Lena Naumann ist die kluge Ich-Erzählung dieser Mariam. Es ist keine göttliche, aber eine wundersame, warme, menschliche Geschichte über Doppelmoral und die Strukturen des Missbrauchs. Zartbitter.
„Mariam geht fort” ist eine wunderbar erzählte, uralte und ewig neue Liebesgeschichte. Spannend!
Manchmal können fiktive Erzählungen der Wirklichkeit sehr nahe kommen. Wenn man Israel und die Wirkungsstätte Jesu in Galiläa ein wenig kennt, dann trifft dies für die Erzählung „Mariam geht fort” von Lena Naumann zu. Das Buch basiert zum Teil auf dem außerbiblischen Thomas-Evangelium. Bei der Lektüre ist mir klar geworden, welche Schätze wir Jesus verdanken, die aber die meisten Christen nicht kennen dürfen, weil sie irgendwann im Laufe der Geschichte per Mehrheitsbeschluss nicht in die offizielle Bibel aufgenommen wurden. Ständig hat das kirchliche Bodenpersonal Jesus zu korrigieren versucht, schlimm. Von Jesu Freundin Maria aus Magdala bekommen wir über das Thomas-Evangelium wahrscheinlich ein sehr viel realistischeres Bild als in den vier offiziellen Evangelien zusammen. Das bis heute geheimnisvolle Ostergeschehen liest sich bei Lena Naumann in ihrer literarischen Adaptation des Thomasevangeliums so: Nein, Jeschua hat nicht die Welt erlöst, er hat sich selbst erlöst. Und das ist mehr als eine Welt. „Mariam geht fort” ist eine wunderbar erzählte, uralte und ewig neue Liebesgeschichte. Spannend!
Vorzügliche Religions- und Kirchenkritik
„Mariam geht fort”, so hat Lena Naumann ihre Erzählung genannt. Warum sie fortgeht, wohin und mit wem, das ist und bleibt bis zur letzten Seite das Spannende. Herausgekommen ist auf diese Weise eine vorzügliche Religions- und Kirchenkritik, eine tiefgründige Betrachtung, die mit leichter Hand geschrieben ist und sich überaus flüssig liest. Und so, obwohl vor 2000 Jahren angesiedelt, ist Lena Naumanns Buch völlig zeitlos: Sind doch religiöse Eiferer, Heilsbringer-Propheten und machtgierige Priesterkasten bis auf den heutigen Tag nicht ausgestorben.
Ich bilde mir nicht ein, im Besitz einer Wahrheit zu sein. Auch Lena Naumann tut das nicht. Aber schreiben, was auf unserem Staubkorn denkbar ist, das kann sie. Ob wahr oder nicht wahr, das weiß nicht einmal sie selber. Aber es könnte wahr sein und das ist entscheidend. Ist es nur ein Zufall, der uns in den entlegenen Winkel einer Milchstraße verbannt hat, in diese belanglose Galaxie, in diese eine von Milliarden anderer Galaxien, die seit ewigen Zeiten mit Lichtgeschwindigkeit ins Nichts rasen? Da freut man sich über jeden Trost, den man kriegen kann.
Diesem Buch wünsche ich viele LeserInnen! Denn es handelt sich um einen bewegenden und überraschenden Roman über das Leben Christi aus der Sicht von Mariam, besser bekannt als Maria Magdalena. Diese schließt sich Jesus als eine von ganz wenigen Frauen an und wird später seine Geliebte. Mariam ist klug, wortgewandt, diskussionsfreudig - und lässt sich nicht unterkriegen. Auch nicht von Simon Petrus, der sie gern loswerden würde. Das ganze Buch ist von einer klugen Autorin in eingängiger Sprache verfasst. Man darf davon ausgehen, dass die nötigen Fakten sorgfältig recherchiert wurden, liest man die Vita der Autorin. Immer wieder stößt man auf bemerkenswerte Stellen, die nachtönen.
Die Erzählung setzt ein mit Jesu Taufe durch Johannes den Täufer und endet mit seiner Kreuzigung und Auferstehung, folgt also in etwa dem Handlungsstrang der Evangelien. Doch es gibt zwei grundlegende Unterschiede zu den Berichten der Jünger: Die Erzählerin ist eine Frau, Mariam, die mit Jeschua umherzieht. Ihr entgehen nicht die patriarchalischen Vorstellungen, die bei Petrus und den Anderen vorherrschen. Als Tochter eines Griechen sucht sie für alle Ereignisse nach natürlichen Erklärungen und findet sie auch. Auf diese Weise kann selbst die Geschichte des Wanderpredigers, auf den sich bis heute das Christentum beruft, als eine aufklärerische erzählt werden.