Spannendes Buch zum (religiösen) Perspektivenwechsel
Wer die gängigen Evangelien des Neuen Testamentes kennt, erlebt hier einen erst sanften, dann aber immer nachhaltigeren Sichtwechsel. Die Autorin nutzt die Figur der Maria von Magdala, um die Geschichte des Jesus von Nazareth aus der Perspektive seiner Gefährtin mit dezidiert weiblicher Perspektive wie gehabt und doch ganz neu zu beschreiben. Viel Bekanntes wird da in ein neues Licht getaucht und erscheint dann ganz anders und doch schlüssig und mit unserem heutigen Weltbild weitaus besser vereinbar. Jeschua von Nazareth bekommt etwas zutiefst Menschliches, ohne seine Faszination zu verlieren. Er wird zum unehelichen Sohn seiner schönen Mutter Mariam und gewinnt die Herzen der Menschen mehr durch Einfühlung und Verständnis denn durch Wunder. Maria Magdalena wird als gebildete Frau an seiner Seite zur Provokation. Die Autorin nutzt die beiden zentralen und ambivalenten Figuren der Apostelgeschichte, Maria Magdalena und Simon Petrus, um einerseits die Polarität und den daraus erwachsenen Sprengstoff zu beleuchten, andererseits aber auch eine ganz neue Blickrichtung einzuführen: die Sicht einer fast schon modernen Frau, die ihren eigenen Weg geht und nicht zur Hure, aber zur ungelittenen, weil gebildeten Frau zwischen den Kulturen und Welten wird. So könnte dieses Buch das sich des Wissens des apokryphen Thomas-Evangeliums bedient - nicht nur für alle Frauen unserer christlichen Kultur, sondern gerade auch für Männer zur Horizont erweiternden Lektüre werden. Mich hat das Buch jedenfalls ungleich mehr gefesselt als Martin Scorceses Film Maria Magdalena, der schon vor Jahren die katholische Welt erschütterte und tatsächlich damals noch verboten wurde. Auch dieses Buch wird eingefleischte und strenge Katholiken und überhaupt Christen und natürlich auch Juden in gleicher Weise herausfordern, aber gerade das könnte gesund, weil Horizont erweiternd wirken.
Ich bin immer noch hellauf begeistert von diesem Buch.
Ich finde diese Gedankenreise sehr mitreisenswert und auch höchst spannend zu lesen mit all den anderen Möglichkeiten, die sie eröffnet, um diese große Menschheitsgeschichte zu lesen, zu sehen, zu deuten und weiterzudenken. Man sieht Vieles ja fast filmisch vor sich. Gerade denke ich an den wunderbaren Schluss. Was für eine Befreiung auch, dies einmal so weiterzudenken. Und in meinem Kopf sehe ich dazu, wenn auch viel ruhiger, getragener, eine den chaplin´schen Filmenden verwandte Szenerie ...
Ich lese ihr Buch gerade zum zweiten Mal und habe mir vorgenommen, täglich nur ein Kapitel zu lesen. Lange nicht mehr hat mich ein Buch mental so sehr beschäftigt und emotional berührt. Es ist faszinierend, Jesus in Erzählungen vermittelt zu bekommen, die frei sind von ideologischem Ballast und patriarchalischen Machtstrukturen. Heute war Kapitel 25 dran, und das Bild von den "hohen Mauern" hat mich erneut sehr nachdenklich gestimmt. Als Theologe und verheirateter Priester beschäftige ich mich ein Leben lang mit Jesus von Nazareth. Gefreut habe ich mich über die Aufwertung von Martha. So etwas kann natürlich nur eine Frau. Die unseligen Übersetzungen wie "Maria hat den besseren Teil erwählt" sind typisch männlicher Natur und entsprechen in keiner Weise dem griechischen Urtext. Großartig auch der Gedanke "Wir müssen uns selbst erlösen" - dieser Satz hat durchaus jesuanischen Charakter. Ihr Buch ist sehr nah an der Lebenswirklichkeit Jesu und eröffnet einen ganz neuen Zugang zu seiner Person. Ich wünschte, jeder kirchliche Mitarbeiter liest dieses Buch. Mittlerweile habe ich auch Ihre Interviews gesehen. An vielen Stellen habe ich beim Hören ein stilles "Ja" hinzugefügt. Es gäbe eine kleine Revolution, würde dies ein Bischof sagen. Leider sind Sie "nur" eine Frau. Die Zentrierung auf den Kreuzestod ist ein Verrat an der Botschaft Jesu. Das wollte Jesus sicher nicht und er wusste wohl auch nicht, dass er mit diesem Sterben die ganze Menschheit erlösen soll.
Ihre Erzählung ist mir ein Juwel. Was lese ich dort mit jedem Satz? Liebe, Partnerschaft und jegliches Miteinander lebt von Aufrichtigkeit. Ich lese es unausgesprochen, und eben das ist das Schöne.
Stolze Frau, rebellischer Geist
Sofort zieht dieses Buch in Bann durch seine brillante, mitreißende Sprache und durch die höchst anregende Interpretation von Geschichte und Glaubenstradition. Mariam ist eine gebildete, im besten Sinne eigenwillige Frau, die von ihren Erlebnissen und Reflektionen in einer besonderen Zeit an einem besonderen Ort berichtet. Sie sieht Jeshua, den Zimmermannssohn, zufällig das erste Mal, als er von Johannes getauft wird, begegnet ihm bald wieder und bleibt an seiner Seite als Lebensgefährtin. Die mutterlose Tochter, von ihrem wohlhabenden Vater zur Selbstständigkeit erzogen, ist ein rebellischer Geist. Sie fühlt sich weniger als Jüdin denn als Griechin. Sie hängt nicht am jüdischen Glauben, sondern betrachtet die Welt aus den Augen einer in griechischer Philosophie gebildeten, intellektuell und finanziell unabhängigen Frau. Ihre scharfsinnigen Kommentare der Lebenswelt im alten Palästina zeigen, wie sich eine neue Zeit formt. Dabei wird aber auch deutlich, dass die alten Konzepte von Sünde und Schuld weiter fortleben, getragen von einer patriarchalischen Denkweise, die auch von Petrus, dem Jünger Jesu, verteidigt wird (und die, wie wir wissen, bis heute die Kirche prägt). Dennoch ist dieses kluge Buch getragen von der Idee der Befreiung; dazu ist es ein Plädoyer für klares Denken. Diese Interpretation des Lebens von Jesus aus der Perspektive seiner geliebten Partnerin Mariam von Magdala enthält viel Stoff zum Nachsinnen, Diskutieren und Neubewerten. Unbedingt empfehlenswert!
Berührend, lebendig und ziemlich provokativ
Als männlicher Leser war ich zunächst etwas skeptisch, als ich las, das Buch sei "eine subtile literarische Analyse des Patriarchats jüdisch-christlicher Prägung". Als ehemaliger Katholik habe ich es mir dann aber doch gekauft, weil mich interessierte, wie die Autorin den Stoff verändert hat. Das Buch ist in einer einfachen, klaren Sprache verfasst und liest sich wunderbar flüssig. Es ist weniger feministisch als aus einer sehr weiblichen Sicht und aus der Perspektive einer modernen Frau geschrieben. Die Erzählung steigert sich von einem eher ruhigen Anfang zu einem fulminanten Ende, das völlig überraschend ist und ganz anders, als man es von den Evangelien her kennt. Nicht nur dieses Ende macht das Buch zu einer kleinen Revolution. Ich konnte mit dem Lesen nicht mehr aufhören, was mir nicht oft passiert. Die Autorin beschreibt die Ereignisse rund um die Kreuzigung derart packend, als hätte sie daneben gestanden. Die Erzählung ist lebendig und berührend, gleichzeitig ziemlich provokativ, denn sie stellt fundamentale Aspekte der katholischen Theologie existentiell infrage. Dadurch greift das Buch die Institution Kirche viel stärker an als manche andere romanhafte Bearbeitung des Stoffs. Die Erzählung hat 152 Seiten, und sie hätte ruhig noch länger sein können.
Jesus, weiblich ergänzt
Lena Naumann schreibt einen Roman, der sich die Rolle der Frau in der Kirche zum Thema macht. Mariam, die Hauptfigur, schließt sich Jesus an und wird später seine Geliebte. In Gesprächen analysiert sie mit ihrem messerscharfen Verstand althergebrachte Überzeugungen, z. B. fragt sie berechtigt, was an Reichtum schlecht sein soll, wenn man doch damit gute Taten und Missionswerke vollbringen kann. Sie will sich nicht einfach durch Gebote der Männerwelt unterdrücken lassen, will ihr eigenes Aufbegehren und ihren Zorn leben dürfen als Grundlage und Ankerpol für die Liebe, die sie der Welt zu geben hat. So kann auch Jesus manches von ihr lernen. Männliche Machtgier wird hier in der Person von Simon Petrus verkörpert, der sie wegen ihrer Rolle bei Jesus hasst und der sie gern loswerden möchte. Im kritischen Fall kann sie sich aber gegen ihn sogar mit einem Messer zur Wehr setzen. Im Lebensbereich Glaube/Religion hat sich die Emanzipation noch am wenigsten durchgesetzt, obwohl doch oft gerade Frauen gläubige Menschen sind. Insofern ist der Roman nicht nur notwendig, sondern geradezu überfällig. Die stellenweise biblische Diktion des Werkes entführt den Leser in die Zeit des antiken Palästina. Orte und Geschehnisse sind überzeugend recherchiert, aber im Roman natürlich romantisch angepasst.
Erlösen müssen Menschen sich schon selbst
In sehr poetischer und kluger Weise rechnet dieses bemerkenswerte Buch mit den Erlösungstheorien der monotheistischen Religionen ab. Das Leben Christi (hier Jeshua) wird aus der Sicht seiner Gefährtin Mariam (besser als Maria Magdalena bekannt) geschildert, die Geliebte und gleichzeitig kritische Beobachterin seines Weges bis zum Kreuz ist: "Die Lust am Tod, an Leiden, an Kasteiung, ich hielt sie für gefährlich". Das Buch ist der spannende Roman der Liebschaft mit einem Mann, der eine Mission hatte, der nach seinem Tod als Gott verehrt wurde, aber nur Mensch war. Thema ist dabei weit mehr als nur eine Kritik patriarchalischer Gesellschaften, es geht um die Ursachen dafür, dass unter dem Judenstern, dem Kreuz und dem Koran "heilige Kriege" geführt werden konnten und können. Das Zitat des christlichen Kirchengründers Simon Petrus aus dem Thomasevangelium "Denn Frauen sind des Lebens nicht würdig", könnte auch von einem orthodoxen Juden oder einem moslemischen Fundamentalisten stammen. Die Antwort von Naumanns schönem Roman auf Gewalt und Religionen, deren Alleinvertretungsanspruch zu Gewalt führen muss, ist die Liebe: "Als seine Hand meine Wange berührte, durchfuhr mich ein Schauer und gemeinsam betraten unsere Leiber den Ort, an dem es kein Denken mehr gibt. Nur noch die Lust am Sein". Die Aussage erinnert mich an das wunderbare Gedicht von Martin Buber, in dem er dem (angeblichen) Zwang, "Gewalt zu üben" sein "drum lasst uns gewaltig lieben" entgegensetzt. Schade nur, dass das Buch, dem man eine breite Leserschaft wünscht, dank seines klerikalen Motivs auf dem Titel (auch wenn es thematisch passt), sich den Zugang zu dieser Leserschaft etwas erschwert.
Knallzart!
Die fundamentale Entlarvung einer Ideologie kommt manchmal auf leisen Sohlen daher. Ein gutes Beispiel dafür ist dieses Buch: Man beginnt zu lesen und ist schon nach wenigen Seiten nicht nur mitten in einer fesselnden Geschichte, sondern auch in einer theologischen Auseinandersetzung, die es in sich hat. Auferstehungslehre, Erlösungstheologie, katholische Sexualmoral ... in diesem Buch wird mit großer Leichtigkeit im Stil, aber unmissverständlich in der Sache einiges vom Kopf auf die Füße gestellt. Besonders interessant gestaltet ist die Beziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena. Von wegen Gottessohn und reuige Sünderin! MIt viel psychologischem Feingefühl erzählt Lena Naumann die Annäherung zweier eigenständiger Persönlichkeiten auf Augenhöhe, bei der die Frau aus ihrer Perspektive mindestens ebenso viel zu erzählen hat wie der berühmte Zimmermannssohn. Eine dichte, intensive und authentische Geschichte. Unbedingt lesenswert!!!